Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beraten heute über den Kampf gegen den Terrorismus. Noch immer sind wir tief erschüttert, dass 17 Menschen beim Anschlag auf Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt gestorben sind, weil sie zeichneten, was Fanatiker nicht sehen wollten, weil sie uns als Polizisten schützten und weil sie Juden waren.

Ich wende mich im Namen des Europäischen Parlamentes an Sie, Herr Präsident Hollande. Ihre persönliche Haltung in diesem schweren Moment, die besonnene Reaktion Ihrer Regierung, vor allem aber der stille, würdevolle Protest von Millionen Menschen am 11. Januar in Paris, in ganz Frankreich, unterstützt von den höchsten Repräsentanten der internationalen Staatengemeinschaft, von fast allen von uns hier in diesem Raum, war eine klare Botschaft! – Das ganze Volk steht gegen die Terroristen. Die Menschen sind nicht bereit, unsere Werte der Toleranz und des Respekts sowie die Meinungsfreiheit aus Angst vor Terror aufzugeben. Sie sind nicht bereit, diese Werte und Grundrechte wegen des Kampfes gegen den Terror in Frage zu stellen.

Terrorismusbekämpfung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind aufgerufen, die Menschen in Europa vor Terrorattentaten zu schützen. In den letzten Jahren hat sich die Bedrohung gewandelt: von Terrororganisationen mit klaren Befehlsstrukturen hin zu separaten regionalen Zellen und jetzt zu Individuen oder Kleingruppen, die auf eigene Faust Terrorattentate planen und ausführen. Auf diese veränderte Bedrohungslage zu reagieren, stellt uns vor neue, große Herausforderungen. In den vergangenen Wochen haben wir intensive Gespräche im Europäischen Parlament geführt. In allen Debatten, in den Fraktionen, in den Ausschüssen, in der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden und im Plenum und auch in der Entschließung, die wir gestern mit einer überwältigender Mehrheit verabschiedet haben, kam immer wieder zum Ausdruck, dass wir einen mehrschichtigen Ansatz bei der Terrorismusbekämpfung verfolgen wollen, der aus drei Säulen besteht: Prävention, Schutz und Strafverfolgung.

Zunächst zur Prävention. Wir sind mit einem neuen Phänomen konfrontiert: Junge Menschen werden vermehrt über soziale Medien radikalisiert und rekrutiert. Sie ziehen in den Krieg nach Syrien und in den Irak, weil sie es bei sich zuhause nicht geschafft haben, keine Perspektive sehen und das Gefühl vermittelt bekommen, nicht dazuzugehören. Diese Menschen wurden in unserer Gesellschaft radikalisiert. Wir müssen mehr tun, um dem entgegenzuwirken, das Problem bei der Wurzel packen; wir müssen die soziale Inklusion, Integration, Dialog und Toleranz fördern und enger mit den Gemeinden zusammenarbeiten. Zusätzlich müssen wir Kampagnen gegen Aufrufe zu Terrorattentatent im Internet entwickeln. Die Radikalisierung in Gefängnissen besorgt uns sehr und erfordert unsere besondere Aufmerksamkeit.

Ein Großteil der Arbeit liegt hier sicherlich auf der lokalen und der nationalen Ebene. Aber die EU muss dazu beitragen, etwa durch die gezielte Bereitstellung von Mitteln oder dem Austausch von best practices. Ich erwarte, dass die Kommission prüft, wie die EU die Mitgliedstaaten in diesem Bereich bestmöglich unterstützen kann, und auch, wie der Radikalisierung über das Internet begegnet werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Überlegungen, die Freizügigkeit im Schengenraum zu beschneiden, stellen wir uns energisch entgegen. Aber sicherlich müssen wir mehr tun, um die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums zu stärken. Ich ermutige Sie die bestehenden Regeln strikter anzuwenden. Wir müssen unsere eigenen Staatsbürger davon abhalten, dass sie in Kriegsgebiete ausreisen, sich dort Terrorgruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat anschließen und Konflikte in unserer Nachbarschaft befeuern. Die Gefahr, dass ausländische Kämpfer radikalisiert nach Europa zurückkehren, um Attentate zu verüben, ist eine reale Gefahr.

Herr Tusk, Sie haben konkret die Frage nach Fortschritten bezüglich des Abkommens über Fluggastdatensätze (EU- PNR) aufgeworfen. Das Europäische Parlament hat Ihren Appell gehört. Wir arbeiten selbstverständlich konstruktiv mit dem Rat zusammen. Gestern hat sich das Parlament verpflichtet, auf die Verabschiedung einer Richtlinie über EU-Fluggastdatensätze bis Ende des Jahres hinzuarbeiten. Mein Kollege Timothy Kirkhope arbeitet derzeit zusammen mit den anderen Fraktionen und der Unterstützung der Kommission intensiv an einem Berichtsentwurf zur EU-PNR, die den Kommissionsvorschlag von 2011 abändert und am 26. Februar von ihm vorgelegt werden wird.

Sie werden sicherlich Verständnis dafür aufbringen, dass ich einer Entscheidung des Europäischen Parlaments in dieser Frage nicht vorgreifen will. Grundsätzlich muss eine für uns annehmbare Lösung sowohl unseren Strafverfolgungsbehörden zu einer präzisen Einschätzung der Lage verhelfen als auch rechtskonform und verhätnismässig sein sowie starke Vorkehrungen für den Schutz unserer Grundrechte vorsehen.

Wir im Europäischen Parlament glauben, dass auf EU-Ebene mehr getan werden muss:

- Wir müssen die Finanzierung der Terroristen stoppen. Dahingehend haben wir gerade erst eine Reform der der EU-Geldwäscherichtlinie beschlossen. Bitte implementieren Sie diese veränderten Regeln schnell.

- Wir müssen den Kampf gegen den illegalen Handel mit Feuerwaffenzu einer Priorität machen.

- Wir müssen Schlupflöcher in unserem gemeinsamen Strafrecht schließen. Das bedeutet Straftatbestände in bezug auf ausländische Kämpfer zu vereinheitlichen und die strafrechtliche Reaktion über EUROJUST besser zu koordinieren.

- Wir müssen die Reform von EUROPOL vollenden. Außerdem erwarten wir, und das möchte ich betonen, denn dieser Punkt ist uns am Wichtigsten, klare Fortschritte beim Datenschutzpaket, einschließlich der Richtlinie, die derzeit im Rat blockiert ist.

- Wir müssen die Verträge voll ausschöpfen, auch die Solidaritätsklausel und ihre verbindlichen Verpflichtungen für Sie, den Europäischen Rat, die Bedrohungdslage für die Union kontinuierlich zu bewerten.

Wir bereiten uns darauf vor, die Europäische Sicherheitsagenda zu prüfen, die im April von der Kommission vorgelegt wird, und bewerten muss, ob die verschiedenen EU Maßnahmen richtig funktionieren und welche Lücken noch zu schließen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,

immer wieder hören wir von namhaften Sicherheitsexperten, dass zwei Probleme die Terrorismusbekämpfung erschweren.

Erstens: Noch immer tauschen europäische Geheimdienste und Sicherheitsbehörden Informationen unter einander nicht in ausreichendem Maße aus. Um Widerstände auf technischer Ebene zu überwinden, müssen Sie Ihren politischen Willen klar zum Ausdruck bringen und regelmässig die Fortschritte überwachen.

Erhebliche Verbesserungen könnten auch durch eine bessere Nutzung des Schengener Informationssystems sowie die stärkere Zusammenarbeit nationaler Behörden mit EUROPOL mittels einer dafür vorgesehenen Plattform und EUROJUST erreicht werden. Stärkere Vernetzung, verbesserte Zusammenarbeit und mehr Informationsaustausch können Leben retten.

Zweitens: Die Sicherheitskräfte und die Gerichtsbarkeit verfügen leider nicht immer über die notwendigen Ressourcen. Immer wieder erleben wir, dass wir nicht zu wenig Daten und Informationen haben – ausnahmslos alle Attentäter der vergangenen Jahre waren bekannt und standen auf Gefährderlisten – aber wir schaffen es nicht, den gewonnenen Informationen richtig nachzugehen. Wir laufen Gefahr, in Daten zu ertrinken und die Fähigkeit zu verlieren, diese Daten sinnvoll auszuwerten. Das ist klassische Polizei- und Justizarbeit und wir müssen unsere Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, ihren Job zu machen.

Die grausamen Ermordungen des japanischen Journalisten Kenji Goto und des jordanischen Piloten Muaz al-Kasaesbeh haben uns erneut vor Augen geführt, dass der sogenannte Islamische Staat eine globale Bedrohung darstellt. Bis wir diese Terrormiliz am Boden besiegt haben, wird sie weiter junge Menschen aus Europa und anderswo in diesen grausamen Konflikt ziehen. Der syrische Bürgerkrieg geht ins vierte Jahr. Solange dieser blutige Konflikt weiter andauert, wird der sogenannte Islamische Staat militärisch und ideologisch stärker, und er wird sich auch geographisch weiter ausdehnen können.

Sehr zufrieden sind wir mit der intensiven Arbeit von Frau Mogherini im Außenministerrat und dass zahlreiche, detaillierte Maßnahmen vorgesehen sind. Die EU muß sich für eine weltweite Partnerschaft zur Bekämpfung des Terrorismus einsetzen und eng mit den Vereinten Nationen, mit regionalen Akteuren wie der Afrikanischen Union, dem Kooperationsrat der Arabischen Golfstaaten und der Arabischen Liga und besonders auch mit den Nachbarländern von Irak und Syrien, wie Jordanien, dem Libanon und der Türkei zusammen arbeiten.

Tragödie im Mittelmeer

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle sind schockiert und betroffen angesichts einer weiteren humanitären Katastrophe im Mittelmeer. Am Montag hat die italienische Küstenwache versucht Menschen zu retten, die die lybische Küste in Schlauchbooten ohne Wasser und ohne Essen verlassen hatten. 80 Leben konnten gerettet werden. Etwa 300 Menschen werden noch immer vermisst.

Einmal mehr wurde offenbar, dass die Europäische Union keine richtige Migrationspolitik hat. Wir können Menschen, die ihr Land aufgrund von Armut oder Gewalt verlassen, nicht dem Meer ausliefern. Jedes verlorene Leben ist ein Schandfleck für Europa.

Das Europäische Parlament fordert dringend eine umfassende EU Migrationspolitik und arbeitet parteiübergreifend darauf hin - aber alleine schaffen wir das nicht.

Die Grenzschutzmission Triton mag europäisch sein- und das begrüßen wir ausdrücklich - aber sie steht hinter der italienischen Rettungsmission Mare Nostrum deutlich zurück. Wir müssen unsere Such- und Rettungsoperationen ausbauen. Ich frage Sie: wann werden wir die andauernde menschliche Tragödie vor unserer Haustüre endlich beenden?

Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn uns die Krise Eines gelehrt hat, dann dies: Wir können die Wirtschaft der EU nicht länger als eine Ansammlung von abgeschlossenen Einheiten, von getrennten nationalen Volkswirtschaften betrachten – unsere Volkswirtschaften sind eng miteinander verwoben. Die Entwicklungen in einem Land haben Auswirkungen auf andere Länder. Da die Herausforderung eine europäische ist, muss auch unsere Lösung eine europäische sein.

Die Krise hat in der Tat die Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion offengelegt. Diese Fehler sind zeitweilig sogar zu Bedrohungen für die Existenz unserer gemeinsamen Währung und des Binnenmarktes geworden. Diese Tatsachen anzuerkennen, bedeutet auch, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Währungsunion eine institutionelle Architektur erhält, die funktioniert, klar verständlich und demokratisch ist.

Im Juni 2012 hatten Sie die „vier Präsidenten“ der Kommission, des Europäischen Rates, der EZB und der Eurogruppe gebeten, bis Dezember 2012 „einen spezifischen Fahrplan mit Terminvorgaben“ auszuarbeiten, in dem der Prozess und die konkreten Schritte hin zur Vollendung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion aufgezeigt werden, wozu auch Maßnahmen gehören, die eine Änderung der Verträge erfordern.

Die Diskussionen dauern seitdem an und es wurden einige Fortschritte erzielt, insbesondere hinsichtlich der Schaffung einer Bankenunion und der Überwachung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Instrumente – die Überwachung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten und die Binnenmarktpolitik – dienen der Ergänzung der gemeinsamen Geldpolitik für das Euro-Währungsgebiet.

Wir begrüßen, dass Sie die Debatte über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion jetzt wieder aufgreifen. Wir bestehen jedoch unverändert darauf, dass der Präsident des Europäischen Parlaments als gleichberechtigter Partner gemeinsam mit den anderen Organen in vollem Umfang in die laufende Analyse und die Ausarbeitung eines Fahrplans einbezogen wird. Sämtliche andere Organe sind beteiligt und der Respekt vor dem einzigen direkt gewählten EU-Organ gebietet es, dass das Parlament ebenfalls in vollem Umfang in die Diskussion über die Zukunft der WWU einbezogen wird. Das Parlament befasst sich seit Jahren intensiv mit diesen Themen und wird die Diskussion bereichern.

Gestatten Sie mir, fünf grundlegende Punkte zu nennen, die für das Parlament von wesentlicher Bedeutung sind:

Erstens: Sicherstellung der demokratischen Rechenschaftspflicht.

Das Europäische Parlament ist der Ansicht, dass wir eine engere wirtschaftliche Koordinierung benötigen. Wir werden jedoch nicht „mehr Europa“ akzeptieren, wenn der Preis dafür weniger Parlamentarismus und weniger Demokratie ist.

Das Parlament appelliert an Sie: Begeben Sie sich nicht weiter auf die schiefe Bahn hin zu mehr Intergouvernementalismus! Die Erfahrung zeigt, dass die Gemeinschaftsmethode nicht nur demokratischer, sondern auch effizienter ist. Das Erfordernis der Einstimmigkeit macht es nahezu unmöglich, zu einer Einigung zu gelangen. Außerdem erfordern Regierungsabkommen mühsame und lange Ratifizierungs- und Umsetzungsverfahren. Die Gemeinschaftsmethode liefert dagegen schneller Ergebnisse, sowohl bei der Beschlussfassung als auch bei der Umsetzung.

Auch beim neuen Rahmen für die wirtschaftspolitische Koordinierung müssen wir demokratische Mängel beseitigen – deshalb ist eine stärkere Einbeziehung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente notwendig. Und wir haben bereits sehr konkrete Vorschläge unterbreitet, wie das erreicht werden kann. Wir sind der Ansicht, dass die Kommission die länderspezifischen Empfehlungen den nationalen Parlamenten vor ihrer Annahme durch den Rat vorlegen sollte. Zugleich sollte der ESM dem Europäischen Parlament Rechenschaft ablegen. Alle wichtigen Entscheidungen, wie z. B. über die Gewährung von Finanzhilfe für einen Mitgliedsstaat und über den Abschluss von Vereinbarungen, sollten der Kontrolle des Europäischen Parlaments unterliegen.

Zweitens: Verbesserte Koordinierung der Wirtschaftspolitik.

Um für die dringend nötige bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen, müssen wir die Gesamtbilanz betrachten und die Bündelung politischer Maßnahmen aus europäischer Perspektive abwägen. Das ist von besonderer Bedeutung, um Synergieeffekte zu erzielen und die Kohärenz zu verbessern.

Wir sollten zudem auf die Integration einer größeren Zahl von steuer- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen und auf eine verstärkte Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen hinarbeiten. Bisher ist der Grad der Umsetzung leider sehr niedrig. Damit die die Wirtschafts- und Währungsunion funktioniert, ist es von grundlegender Bedeutung, dass sich die Mitgliedstaaten auf EU-Ebene eingegangene Verpflichtungen zu eigen machen. Wir wissen, dass es manchmal nicht an gutem Willen mangelt, sondern praktische Probleme bei der Umsetzung auftreten. Deshalb wollen wir, dass die länderspezifischen Empfehlungen so formuliert werden, dass die Mitgliedstaaten den politischen Spielraum erhalten, den sie benötigen, um einerseits Maßnahmen zu entwickeln und andererseits jene Reformen durchzuführen, die die Umsetzung der Empfehlungen ermöglichen.

Drittens: Stärkung der sozialen Dimension.

Das Europäische Parlament fordert bereits seit langem einen starken sozialen Pfeiler der WWU. Über viele Jahrzehnte war die Europäische Union ein Versprechen für Frieden, Demokratie und Wohlstand. Wir möchten, dass die EU von neuem für dieses Versprechen steht, indem sie ihre Ziele verwirklicht, einen hohen Beschäftigungsgrad zu erreichen und soziale Sicherheit zu gewährleisten. Beschäftigung und soziale Indikatoren sollten genauso stark beachtet werden wie haushaltsspezifische und makroökonomische Indikatoren. Dies würde nichts anderes bedeuten als jährliche zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen, die sie im Rahmen der Strategie Europa 2020 eingegangen sind.

Im Bericht Thyssen hat das Europäische Parlament einen Sozialpakt für Europa gefordert. Wir wollen Löhne, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, hochwertige öffentliche Dienstleistungen, Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und ein Programm für den Bau von Sozialwohnungen, einen garantierten allgemeinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung, den Schutz der sozialen Rechte und der Arbeitnehmerrechte, gleiche Entlohnung und gleiche Rechte für gleiche Arbeit sowie Arbeitsplätze für junge Menschen.

Das sind Themen, die für die Bürger in der EU von Bedeutung sind! Und wir werden diesen Kampf um die Aufnahme einer sozialen Dimension in die WWU im Interesse der EU-Bürger fortsetzen.

Viertens: Nutzung der vorhandenen Verträge anstelle einer Fokussierung der Debatte auf Vertragsänderungen.

Das Europäische Parlament hat von Anfang an vor den Gefahren von Vertragsänderungen gewarnt. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten unsere ernste Sorge zum Ausdruck gebracht, dass uns die Debatten über Vertragsänderungen und Verfassungskonvente, so wichtig sie auch sein mögen, blind für die Tatsache machen, dass wir die Bestimmungen der existierenden Verträge nutzen müssen, um die gegenwärtige Krise zu überwinden.

Wie die Kommission in ihrem Entwurf bereits eindeutig gezeigt hat, sind fast alle Änderungen, die für eine Vertiefung der WWU notwendig sind, auf der Grundlage der bestehenden Verträge möglich. Wir sind sehr erleichtert, dass Sie mehr und mehr von der Idee einer Vertragsänderung abrücken.

Fünftens: Wahrung der Einheit der Union.

Der Preis für die Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion darf nicht die Spaltung der EU sein. Sämtliche Mitgliedstaaten der EU müssen sich freiwillig an einer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik beteiligen können. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, neue, parallele Unionen und neue parallele Organe zu schaffen. Auch im Zusammenhang mit der Governance des Euro-Währungsgebiets muss die Integrität der Organe der Gemeinschaft gewahrt werden. Es ist eine Überreaktion, die EU nur deshalb spalten zu wollen, weil zwei Länder beschlossen haben, sich nicht an der Währungsunion zu beteiligen. Angesichts der Tatsache, dass alle anderen EU-Mitgliedstaaten durch Verträge verpflichtet sind, den Euro einzuführen, wären wir gut beraten, Reformen durchzuführen, durch die jene 25 Mitgliedstaaten, die sich an allen Politikbereichen der EU beteiligen möchten, in die Lage versetzt werden, genau das auch zu tun.

Meine Damen und Herren,

ich möchte zusammenfassen: Das Europäische Parlament hofft, dass Sie nicht weiterhin „Schnellreparaturen“ durchführen werden, bei denen immer dann notdürftig Hand angelegt wird, wenn sich Risse im europäischen Integrationsprozess zeigen, und die manchmal dazu führen, dass Frankenstein-ähnliche Schöpfungen außerhalb der Verträge entstehen, etwa der Fiskalpakt oder die „vertraglichen Vereinbarungen“. Sie haben jetzt die Chance – und die Entscheidung ist unumgänglich –, das institutionelle Durcheinander nachhaltig zu beseitigen und die europäische Demokratie zu stärken. Nur ein demokratisches Europa, das Arbeitsplätze schafft und für Wachstum sorgt, wird das Vertrauen der Bürger wiedergewinnen.

Ukraine

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte gestatten Sie mir, zunächst Bundekanzlerin Merkel und Präsident Hollande für Ihre Initiative zu danken, die russische und die ukrainische Führung zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Sie haben eine lange Nacht hinter sich mit schwierigen Verhandlungen, bei denen viel auf dem Spiel stand.

Wir sind alle erleichtert, dass am Ende eine Einigung möglich war. Wir sind nicht enthusiastisch, aber wir sind wirklich erleichtert, dass eine Waffenruhe beschlossen und das Abkommen von Minsk vom vergangenen September bestätigt werden konnte. Jetzt haben wir einen klaren Fahrplan für die Umsetzung des Minsker Abkommens - zu Wahlen, Grenzkontrollen, dem Austausch von Gefangenen und weiteren Punkten. Wir hoffen, dass die Einigung von heute Morgen ein Schritt ist, um die Eskalationsspirale zu stoppen.

Wir erwarten von allen Seiten, dass sie die Waffenruhe einhalten und nichts unternehmen, was das Inkrafttreten der Waffenruhe gefährden könnte.

Die Europäische Union trägt in dieser Situation eine große Verantwortung. Ukrainer sind auf die Straße gegangen, weil sie das Europäische Model für erstrebenswert halten. Sie erwarten große Veränderungen von ihrer Regierung. Zu Recht. Unsere Botschaft an die Regierung in Kiew bleibt weiterhin: Rechtsstaatlichkeit, Null-Toleranz für Korruption sowie politische und wirtschaftliche Reformen sind von grundlegender Bedeutung. Eine reformierte und gut funktionierende Ukraine ist die beste Antwort auf Aggression. Wir werden diesen Prozess weiterhin unterstützen und mit Expertise begleiten. Ich fordere Sie auf, finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine zu leisten, um das Land zu stabilisieren.

Das Europäische Parlament wird seinen Beitrag dazu leisten, um die neugewählte Verkhovna Rada auf dem Reformweg zu unterstützen. Ich freue mich auf das Treffen mit dem Parlamentspräsidenten Groysman Ende dieses Monats, bei dem wir unser Programm zur Zusammenarbeit und Stärkung der parlamentarischen Arbeit in der Ukraine auf den Weg bringen werden.

Wir müssen weiterhin alles in unserer Macht stehende tun, damit es nicht zu einem erneuten Rückfall in die militärische Konfrontation kommt, sondern eine diplomatische Lösung gefunden wird. Dass wir uns bislang nicht haben spalten lassen ist eine Errungenschaft und Erfolg an sich. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir gegeneinander ausgespielt werden. Nur ein vereintes Europa ist ein starkes Europa

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.